Die Berichte

Rückblick nach Trevelin
Valparaiso, 22.Mai 2006

Ich sitze im ersten Stock der Hospedaje Yoyo in Valparaiso. Durch den hohen, alten Fensterfluegel sehe ich auf die steile Strasse hinaus. Die gelben Blaetter der alten Weide ragen ins Zimmer und bewegen sich leicht im Wind. Sambarhythmen trommeln von der Strasse herauf. Der Junge auf der Ladeflaeche des Lastwagens trommelt auf den Gasflaschen, und macht so von weitem auf die Ankunft der Gaslieferung aufmerksam. Vieles ist hier anders, die Haeuser sind wild aneinander geschachtelt, waghalsig an den steilen Hang gezimmert. Die Stadt liegt in einer Bucht wie in einem Amphitheater, umringt von 45 Huegeln, auf die man mit Ascensores, altertuemlichen Aufzuegen und Standseilbahnen hinaufrumpeln kann. Von oben eroeffnet sich ein grandioses Panorama: das bunte Wirrwarr der Haeuser, Huetten und Baracken, riesige Containerschiffe, die im Dunst wie regloses Treibholz auf ihre Abfertigung warten. “Wenn Buenos Aires als das Paris von Suedamerika bezeichnet wird, dann ist das hier Neapel” geht es mir durch den Kopf. Auf den Strassen pulsiert das Leben , lautes Geschrei auf dem farbenpraechtigen Obstmarkt. Die Menschen hier leben und lieben es laut, das Angebot an Kultur ist vielfaeltig. Die Stadt gilt als das kulturelle Zentrum Chiles.

Um den gestrigen Nationalfeiertag, der an den Sieg ueber Peru und Bolivien im Salpeterkrieg erinnert und mit vielen Fahnen und dschiringbassabumm gefeiert wird, kommt es auch zu vielen Protesten und Demos, die gleich mit einem riesen Polizeiaufgebot begleitet werden. Die Menschen hier sind aktiv, sie gehen auf die Strasse, protestieren und der einfache Mann kennt sich erstaunlich gut aus, was politisch vor sich geht. Wir spueren deutlich, dass hier die Zeit der Diktatur noch nicht allzu weit zurueck liegt und die Menschen noch von ihrem Recht Gebrauch machen ihre Meinung zu aeussern. Wir geniessen das Leben hier, die Raeder stehen fuer drei Tage in einer Abstellkammer und bei all dem Angebot kommen wir kaum zum Nichtstun, zum Reflektieren und sich setzen lassen der Erlebnisse der letzten Wochen.

Meine Gedanken schweifen zurueck, auf der Karte fahre ich die Strecke ab, seit Trevelin, wo unsere letzte Erzaehlung endet.