Die Berichte

Trevelin - Bariloche - Junin de los Andes

Wir verlassen Trevelin, eine alte walisische Siedlung, die europaeischen Auswanderer haben hier Ende des 19. Jahrhunderts unter grossen Muehen ein “Neu Wales” gegruendet und ueber vier Generationen ihre Sprache gepflegt. Jetzt sind nur noch magere Spuren davon sichtbar. Als wir auf der Landstrasse einem alten Mann mit einem noch aelter anmutenden Jeep unsere Hilfe beim Radwechsel anbieten, Holt er erstaunlich behende einen der drei Ersatzreifen von der Ladeflaeche und sagt:” nein, nein das passiert staendig ich komm schon klar! ”Mit ein paar rustikalen Fusstritten loest er die Schrauben und plaerrt in das Mikrofon seines Funkgeraetes: “na alte Hexe, was macht der Fisch? Ich komm etwas spaeter! “ Zu uns gewendet:” sie hat deutsche Vorfahren und heisst Sauer aber ist in Wirklichkeit ganz suess!” Spuren eines speziellen Humors von der Insel? Er bedankt sich fuer unsere Gesellschaft und faehrt winkend davon.

Wir lachen noch lange ueber diese Begegnung und sind uns wieder einmal einig, Suedamerika von unten zu erleben und zu erfahren: diese Gespraeche sind ein Grund warum wir diese Reise angetreten haben und wir nehmen uns immer die Zeit dafuer anzuhalten.

“Wir fahren morgen frueh um vier Uhr los, sonst halten wir unseren Kilometerschnitt nicht!” sagt uns das slovenische Radlerehepaar. Respekt vor dieser sportlichen Leistung jedoch schuetteln wir nur unglaeubig den Kopf. Zum Glueck ist das nie unsere Intention, Kilometer zu spulen, und an all den spannenden Momenten vorbeizurauschen, die man nur erlebt, wenn man anhaelt: was auch immer auftaucht am Strassenrand, ein duftender Eukalyptuswald, ein Tankwart mit interessierten Fragen oder ein toter Hund. All das praegt sich ein im Gedaechtnis in allen Schattierungen.

Wir naehern uns von Sueden San Carlos de Bariloche, dem Wintersportmekka Suedamerikas. Die Anfahrt auf der Ruta 40 steigt in langgezogenen Huegelketten entlang herbstlich gefaerbter Waelder an schneebedeckten Berggipfeln vorbei.” Das soll dieser mondaene Skiort sein?” fragen wir uns, als wir muede in der Daemmerung durch die trostlosen, slumaehnlichen Vororte fahren: Plattenbauten, Baracken, Laerm, Abgase und ausdrucklose Gesichter am Strassenrand. Die unzaehligen qualmenden Busse schiessen uns fast von der Strasse und wir sind froh, nahe dem Seeufer einen huebschen versteckten Campingplatz zu finden. Die “Vorderansicht” der Stadt praesentiert sich dann auch als elegante Kopie eines Schweizer Luxusresorts: Fondue, Souvenirs, Victorinox und Fotografen die die Touris mit Bernhardiner-Hunden fotografieren. Die Landschaft jedoch ist einzigartig, inmitten des Nationalparks gelegen, von gut erschlossenen Skibergen umringt und direkt darunter ausgebreitet der 100 Kilometer verzweigte Nahuel-Huapisee

mit ausgezeichneten Wassersportmoeglichkeiten. Beim Anblick der sich kraeuselnden Wellen schlaegt unser Surferherz gleich hoeher. Den nahegelegenen Hausberg Cerro Otto erklimmen wir per Rad ohne Gepaeck. Wir fuehlen uns, als haette uns jemand die Handbremse geloest und geniessen im Restaurant der Bergstation bei einer Flasche Tinto die Aussicht. Das Panoramarestaurant dreht sich und wir uns bald damit.

Zurueck am Campingplatz dann der Schreck: Das Zelt auf der ganzen Laenge aufgeschnitten, alles durchwuehlt und verstreut. Uns stockt der Atem, die wenigen Dinge, die wir dabeihaben von fremden Haenden auf Brauchbares durchsucht. Wir fuehlen uns betrogen und verletzt. Zum Glueck fehlen nur wenige Dinge, die ersetzbar sind. Jedoch wird uns schlagartig klar, wie ausgesetzt und angreifbar wir sind. Bislang schien uns alles freundlich und sicher, doch das ist nicht so. Die “Dueños” das Campingplatzes haben nichts bemerkt, helfen uns grosszuegig bei allen Polizeiformalitaeten und laden uns zu einem ueppigen “Asado” ein, bis wir platzen. Als das Zelt repariert ist, packen wir unsere Drahtesel und sind froh, dass uns die Strasse wieder hat. Es geht nach Norden ueber die “Ruta de 7 Lagos” nach San Martin de los Andes, eine Traumstrasse ueber groben Schotter, endloses Auf und Ab, die sonnigen Ausblicke ueber unzaehlige versteckte Seen im Herbstlaub muessen wir uns ueber steile Rampen erkaempfen. Die Strassenbauingenieure waehlen manchmal kaum nachvollziehbare

Streckenfuehrungen und schrecken vor 20 % Steigungen ueberhaupt nicht zurueck. Wir wagen uns nicht vorzustellen, wie diese Piste bei Regen zu befahren ist und geniessen an einsamen Seeufern die Abendsonne, waehrend wir unser Zelt aufstellen und ein kerniges Abendessen koecheln.

Mittlerweile haben wir Routine in den taeglichen Ablaeufen: Das Zelt steht ruckzuck und sogar manchmal so, dass die ersten Sonnenstrahlen morgens ein bisschen Waerme bringen. Die ersten Frostnaechte lassen die Plane schon steif gefrieren.

Die Aufgaben sind verteilt. Essen schnaetzeln, Wasser holen, Fahrraeder warten geht Hand in Hand. Ein Radleralltag ist lang, bei allen Drumherum bleibt wenig Zeit fuer Musse und die Romantik des Abenteuers wird manchmal irritiert, wenn beide nach einer schweisstreibenden Etappe muede und nicht immer duftend in den Schlafsack sinken.